Classroom Management

Am 19. Mai veröffentlichte Axel Krommer (@mediendidaktik_) folgenden Tweet:

In der Übersetzung:

Classroom Management wird häufig als Kernkomponente eines erfolgreichen Unterrichts angesehen (z. B. Emmer und Stough 2001; Hattie 2009; Kounin 1970). Es umfasst zwei Schlüsselprinzipien: die Identifizierung und Stärkung erwünschter Verhaltensweisen der Schüler und die Verhinderung unerwünschter Verhaltensweisen (Hochweber et al. 2014). Um erwünschte Verhaltensweisen zu identifizieren, müssen Lehrkräfte klare Regeln kommunizieren und stabile Routinen etablieren. Um Störungen zu verhindern und eine effektive Zeitnutzung zu gewährleisten, müssen Lehrkräfte das Geschehen im Klassenzimmer beobachten („Withitness“; Kounin 1970) und bei Bedarf sofort und effektiv eingreifen. Durch ein effektives Klassenraummanagement verwandeln die Lehrkräfte die zugewiesene Lernzeit in realisierte Lernzeit (Kuger 2016) und bieten Möglichkeiten zum Lernen ohne Unterbrechung und Störung.

Übersetzt mit http://www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

Wie immer ist es schwer, auf einen weitgehend kontextlosen Textausschnitt zu reagieren. Der Verfasser kennt natürlich das Buch, demzufolge weitere Inhalte und die Positionen der Autoren, im besten Fall auch die Inhalte der Texte, auf die in diesem Ausschnittt hingewiesen wird. Der Originaltext ist leider nur käuflich bei Springer zu erwerben und für „mal eben“ zu teuer (früher konnte man das Zentralblatt für Didaktik der Mathematik kostenlos online lesen) Der gewöhnliche Twitter-Leser ist also auf den Inhalt des Fotos angewiesen.

Überraschend für mich waren die Reaktionen auf diesen Tweet:

„Sind Schüler:innen darin etwas anderes als eine potenzielle Störquelle?“

https://twitter.com/ke52870597/status/1659546014506704899

„Kontrolle vor Vertrauen. Es ist grausam.“

https://twitter.com/danielwendt/status/1659645688920014849

Und auf meinen Tweet

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folgte

„Lies das doch bitte nochmal. Schüler*innen als den Unterricht gefälligst still und brav empfangende kleine Roboter, nur potentielle „Störquelle“ […] und auf Mikroebene zu kontrollierende Masse. Lehrer quasi als Gefängniswächter und „Überwacher“. Gruselig.“

https://twitter.com/majavonwestphal/status/1659572334389338117

Und ich las es einmal und noch einmal und begann zu grübeln, warum alle anderen diesen Text komplett anders verstanden als ich.

In meinem Unterricht ist ein gutes Classroom Management ausgesprochen hilfreich.

Wenn wir unsere Gesprächskreise und Einführungsphasen machen, beobachte ich die Kinder sehr genau und interveniere möglichst, bevor Störungen entstehen. Regeln und erwünschte Verhaltensweisen thematisieren wir regelmäßig in Morgenkreis und Klassenrat, sie werden auch im laufenden Unterricht verstärkt – durch Blicke, durch ein leises Lob, durch kleine Gesten. Unerwünschte Verhaltensweisen muss ich „voraussehen“, Kinder in die Konzentration zurückholen und auf ihre Zeichen achten. Dann kann ich sie auch mal mit kleinen Aufgaben losschicken und ihnen so Abwechslung verschaffen oder wortlos das vereinbartes Signal für eine individuelle Auszeit bestätigen. dies geht aber nur, wenn es vereinbatre Routinen gibt und ich mich darauf verlassen kann, dass die dafür vereinbarten Regeln eingehalten werden.

Noch wichtiger als im Kreisgespräch sind Regeln und Routinen, besonders aber das Beobachten und frühzeitige Intervenieren in selbstgesteuerten, teilweise ganz freien Arbeitsphasen. Die eingeübten Routinen ermöglichen schnelle Phasenwechsel (Wo finde ich das Arbeitsmaterial? Wie organisiere ich mir meinen Wunscharbeitsplatz? Was muss ich wann aufräumen?), die Beobachtung des Geschehens im Klassenraums verhindert, dass es zu Störungen oder gar Konflikten während der Arbeitphasen kommt. Hier kann man individuell schnell Lösungen mit dem einzelnen Kind vereinbaren, die es ihm, z. B. über eine individuelle Bewegungspause, ermöglichen, wieder zu seiner Arbeit zurückzufinden oder auf eine sinnvolle Alternative zu wechseln. Beobachtung hilft auch zu erkennen, welches Kind Unterstützung, Anregung oder ein Gespräch benötigt, um weiterlernen zu können. Die Kinder empfinden es selbst als sehr angenehm, wenn es beim Lernen organisiert, strukturiert und störungsfrei zugeht. Wenn wir so die ausgewiesenen Lernzeiten effektiv nutzen, bleibt uns Zeit für das „Besondere“ im Schulalltag.

Das Classroom Management bildet den Rahmen – und je stabiler der Rahmen ist, umso freier können die Kinder sich darin bewegen.

Axel Krommer fragt, welche normativen Vorstellungen von Unterricht hinter diesem Text stehen. Und das ist vielleicht der Kernpunkt. Meine „Unterrichtsnorm“ ist anscheinend eine völlig andere als die der anderen Twitterer. Für einen offenen, schüleraktiven und stark selbstgesteuerten Unterricht ist ein gutes Classroom Management unabdingbar, sonst endet man in der Grundschule (mit Inklusionskindern und Kindern mit sozial-emotionalen Störungen, mit fehlender Impulskontrolle, ADS etc. pp. ) im Chaos, in den weiterführenden Schulen vermutlich auch.

Lese ich den Text aber mit einer verinnerlichten Unterrichtsnorm von Frontalunterricht und reinem Lehrervortrag – ja dann scheint der Text darauf hinauszulaufen, dass „guter Unterricht“ einer Raubtierdressur gleicht. Die innere Haltung des Lesers entscheidet also anscheinend, wie er diesen Text auffasst. Davon allein auf normative Vorstellungen der Autoren zu schließen, liefert nur rein subjektive Ergebnisse.

(Da ich aber noch einiges anderes von Eckhard Klieme kenne und gelesen habe, kann ich davon ausgehen, das für ihn „guter Unterricht“ und Classroom Management eher etwas ist, das meinen Vorstellungen ähnelt.)

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