Unterricht in Zeiten der Corona-Krise III

Seit dieser Woche gibt es Schule mit Präsenzphasen.

Unser Klassenraum ist klein, unser Klasse mit 24 Kindern voll besetzt. Also haben wir beschlossen, die Klasse in drei Gruppen zu teilen und zwar nach Jahrgängen. Nur – wie verteilt man drei Gruppen auf fünf Tage? Wie stellt man sicher, dass auch die Gruppen in der „Heim-Phase“ angemessen betreut werden?

Noch einmal zur Ausgangslage:

  • 24 Kinder aus drei Jahrgängen
  • 2 Pädagogen in Vollzeit (Erzieherin / Lehrerin)
  • 5 Tage-Woche
  • Vorgabe: eine Gruppe ist jeweils von 8.00 – 13.00 in der Schule, also Halbtagsunterricht
  • alle anderen Kinder sind im Fernunterricht

Wir haben uns für folgendes Modell entschieden und werden es die nächsten Wochen testen:

Wir übernehmen die den Kindern aus dem vorigen Unterricht vertraute Trennung: Die Erzieherin betreut die Bearbeitung der Aufgaben, ist für den sozial-emotionalen Bereich hauptverantwortlich und übernimmt den kreativen Bereich (Kunst). Die Lehrerin ist für den unterrichtlichen Teil hauptverantwortlich: Aufgabengestaltung und -verteilung (Binnendifferenzierung) und Vermittlung neuer Inhalte. Die Korrektur der Aufgaben haben wir uns geteilt – wer Luft hat, arbeitet daran.

Wie sieht das nun praktisch aus:

Montags und Mittwochs kommen die Erstklässler von 8.00 bis 13.00 Uhr in die Schule, Dienstags und Donnerstags die Zweitklässler, am Freitag die Drittklässler. Für Kinder mit anerkanntem Förderbedarf gibt es zusätzliche Stunden außerhalb ihrer „Jahrgangszeit“, die von einem weiteren Pädagogen der Schule betreut werden. Die Drittklässler, die bei uns vor dem Übergang in die Mittelgruppe stehen, kommen dabei leider zu kurz. Wir haben uns so entschieden, weil speziell diese Truppe (7/9) sehr leistungsstark und leistungsbereit ist und von zuhause aus Struktur und Unterstützung erfährt. Wir werden aber ein waches Auge auf die Entwicklung haben – die Drittklässler wären die erste Gruppe, bei der wir unseren Plan verändern würden!

Die Gruppe im Präsenzunterricht

Die Kinder kommen zwischen 8.00 und 8.15 Uhr. Nach einer kurzen Begrüßungszeit folgt um 8.30 Uhr der Morgenkreis. Die Leitung (und das Thema) des Morgenkreises wechselt in regelmäßigem Turnus. Der Morgenkreis ist zur Zeit das verbindende Glied für die Klasse. Er findet weiterhin virtuell über Teams statt. Kinder aller Jahrgangsgruppen können daran teilnehmen, entweder im Klassenraum oder über Teams. Meist sind es etwa 15 von 24.

Anschließend folgt eine individuelle Arbeitszeit von 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr. Die Kinder finden ihre Aufgaben unter ihrem Account bei Learningview.org. Anschließend folgt eine Videolektion von ca. 30 min, in der neue Inhalte eingeführt werden, die nach der Pause in Übungen vor Ort vertieft werden. Diese Videolektion halte ich derzeit noch aus dem Home-Office. Es wäre aber auch denkbar, dies in der Schule zu machen. Warum Videolektion? Es gibt mehrere Kinder, die am Präsenzunterricht nicht teilnehmen können, weil sie oder ihre Eltern in „Wartezeit“ sind und auf einen negativen Befund hoffen. Auch diese Kinder schalten sich zu der Videolektion mit dazu. Über die Laptop-Kamera der Kollegin sehe ich den Klassenraum – dies klappt erstaunlich gut! – und gleichzeitig die „Externen“ auf meinem Monitor und kann die Wortmeldungen aller Kinder zu einem Unterrichtsgespräch zusammenführen. Tafelbilder bereite ich mit unserer Whiteboard-Software vor und spiele sie über den geteilten Bildschirm ein. Dank eines zweiten Monitors kann ich nun gleichzeitig am Whiteboard agieren und die Teams -Videokonferenz mit dem „Melde-Chat“ beobachten.

Die Präsenzkinder haben nun 30 min Pause und anschließend eine Frühstücksrunde. In den folgenden 45 Minuten arbeiten sie wieder individuell an ihren Aufgaben – dies sind nun Aufgaben, die sich direkt auf den neuen Stoff beziehen. So haben sie die Möglichkeit, Verständnisfragen direkt mit der anwesenden Pädagogin zu klären und kommen in der Fernlernphase hoffentlich allein zurecht.

In der letzten Stunde wird all das gemacht, was in der Fernlernphase nicht möglich ist – gemeinsam tanzen, singen, basteln, Spiele mit Distanz spielen…. Es sind ja auch noch bastelmäßig einige Dinge für das Schuljahresende, an dem die Drittklässler die Klasse verlassen, und für die neuen Erstklässler vorzubereiten.

Die Kinder in der Fernlernphase

(Dies ist die „offizielle“, von uns vorgeschlagene Version. Einige Eltern handhaben das leider nicht in unserem Sinne. Aber wir sind im Gespräch…)

Für die Fernlernkinder zuhause beginnt der Tag um 8.30 Uhr mit dem virtuellen Morgenkreis. Im individuell zu gestaltenden Vormittag sollen die Kinder je nach Alter 60 bis 120 Minuten an ihren Aufgaben arbeiten. Wir empfehlen, diese Arbeitszeit in kleinere Blöcke zu zerlegen, die Kinder „auf den Weg zu bringen“ und sie dann alleine arbeiten zu lassen. Leider fehlt unserer Elternschaft aufgrund der Ganztagsschule jegliche „Hausaufgabenerfahrung“. Dies erschwert bei einigen Familien den Umgang mit der Fernlernzeit.

Sind die Kinder nicht in der Präsenzzeit, haben die Erst- und Zweitklässler um 12.00 Uhr (außer am Freitag) eine halbe Stunde Videolektion. Dieser späte Zeitpunkt wurde gewählt um einerseits Eltern die Mittagessenvorbereitung zu erleichtern, andererseits sind dann die elterlichen Videokonferenzen im Home-Office meist vorbei und das digitale Gerät kann anderweitig genutzt werden. Für die Kleinen sollte danach der Lerntag beendet sein.

Die Videolektion für die Drittklässler findet erst um 14.00 Uhr statt, dafür Montags, Dienstags und Donnerstags.*) Für sie endet der Lerntag dann um 14.30 Uhr.

Während des Vormittags bereite ich die Videolektionen vor. Es ist eine Herausforderung, den Stoff sehr klar und komprimiert vermitteln zu müssen. Im Unterricht setze ich viele handlungsorientierte Materialen ein, jetzt muss ich mich auf gute Visualisierungen umstellen. Gleichzeitig versuche ich, die Kinder der ersten und zweiten Klasse in der Lektion aktiv zu halten, kleine Aktionen einzubauen, die sie zum Mitmachen ermuntern. Die Drittklässler sind da schon viel einfacher „frontal“ zu unterrichten. Eine spannende Aufbereitung des Unterrichtsstoffs genügt.

Parallel dazu betreue ich den Chat bei Learningview, in dem einige Kinder bereits eigenständig schreiben. Ansonsten treffen da Elternanfragen ein oder Hinweise, z. B. falls ich in Aufgaben ein falsches Dokument angehängt habe oder vergessen habe ,vorgeplante Aufgaben auf „unsichtbar“ zu stellen. Die Möglichkeit, Verständnisfragen schnell über einen Videochat zu klären, hat noch keiner in Anspruch genommen.

Wenn Zeit ist, korrigiere ich die laufend eintreffenden Arbeitsergebnisse sofort. Individuelles, detailreiches Feedback ist m. E. ein wichtiges Element des Fernlernens. Wir bekommen die Ergebnisse überwiegend als Fotos. Oft genügt ein netter Kommentar, eine Beschreibung dessen, was besonders gut geworden ist oder woran das Kind noch weiter arbeiten sollte. Bei genaueren Korrekturen lade ich das Foto herunter und öffne es mit „Ausschneiden und Skizzieren“, einer Anwendung im Windows Zubehör. Hier kann ich Ausschnitte vergrößern und mit verschiedenen Werkzeugen annotieren. Das Foto wird gespeichert und anschließend mit einem Kommentar in dem Lernjournal des Kindes hochgeladen. Ich suche noch nach einer Möglichkeit, diese Anwendung zur Standardanwendung (statt „Fotos“) zu machen.

Ab Mittag gilt es, neue Aufgaben zu erstellen und zuzuteilen. Die für den kommenden Tag eventuell zu druckenden Arbeitsblätter bekommt die Kollegin vor Ort als Email, ebenso einen Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung – welche Spiele ergänzen den Inhalt der Videolektion, welche Kinder haben besondere Aufgaben bekommen, was gibt es sonst noch aus meiner Sicht zu beachten oder welche Informationen brauche ich, die nur sie vor Ort erheben kann. Fast immer gibt es auch einen kurzen Austausch über Chat oder Videokonferenz. Anschließend betrachten wir beide die aufgelaufenen Arbeitsergebnisse, bis endlich in allen Kursen die erlösende Null bei den zu korrigirenden Aufgaben erscheint.

Insgesamt denke ich, ließe sich dieses System auch längerfristig durchführen. Es ermöglicht allen Beteiligten eine gute Planbarkeit, eine enge Kommunikation und ein Fortkommen im Lernstoff. Schwierig für uns ist die Jahrgangsmischung. Was im Regelunterricht eine Bereicherung ist, führt nun zu einer erheblichen Mehrbelastung, da Unterricht für drei Jahrgänge parallel aufbereitet werden muss. In den Videokonferenzen mischen wir je nach Leistungsstand aber auch. Für wen der Lernstoff aktuell passt, der kann sich zuschalten.

Erfahrungen

Wir haben erst eine Woche Präsenzunterricht hinter uns. Die Kinder haben den gemeinsamen Tag in der Schule (Donnerstag, Freitag ist frei wegen Himmelfahrt) sehr genossen! Er war ein Motivationsschub gerade für die Kinder, die den Fernunterricht bisher nicht so recht ernst genommen hatten, aber auch für die, die sich isoliert vorgekommen waren. Ein wichtiger Punkt, der über den Erfolg des Fernlernens entscheidet, scheint mir die Einstellung der Eltern. Egal ob sozial schwach oder aus der Oberschicht – nur wo Eltern den Fernunterricht ernst nahmen, konnte er gelingen. Ihre Ernsthaftigkeit übertrug sich auch auf die Kinder. Etliche profitierten sogar davon, den Pflichtstoff schnell abhaken zu können und in Zusatzaufgaben ihr Wissen zu erweitern, zu vertiefen oder einfach Spaß zu haben. Wo zuhause ein ferienhaftes „laisser faire“ praktiziert wurde, keine lernförderlichen Strukturen im Tagesablauf geschaffen wurden oder schwierige Familienbeziehungen und Eltern-Kind-Konflikte am Lernen ausgetragen wurden, dort war es schwierig.

Wir sind jedenfalls gespannt, wie sich das System in den kommenden Wochen bewährt!

*) Mittwochs ist Lehrerkonferenztag und um 14.00 Uhr tagt bereits das Grundschulkollegium.

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