das Pampelmusenmesser und die Skinner-Apps

Ich besitze ein Pampelmusenmesser 1). Es begleitet mich seit 1986, wenn nicht länger. Es war einst Bestandteil eines großen Messersets, von dem nur zwei Teil überlebten – eines davon ist eben dieses Pampelmusenmesser, das bisher bei jedem Umzug für würdig empfunden wurde mitzuziehen.

Was kann ein Pampelmusenmesser?

Es kann bei einer halbierten Pampelmuse die Fruchtschnitzen aus der Schale lösen. Es kann kein Fleisch schneiden, es kann kein Gemüse schneiden, es ist kein Schälmesser, es kann noch nicht einmal eine Pampelmuse halbieren. Selbst das Buttermesser hatte bei uns eine Zweitverwendung als „Erstmesser“ der Kleinstkinder gefunden. Das Pampelmusenmesser nicht. Es kann nur Fruchtschnitzen aus der Schale lösen. Aber ich kenne keinen anderen Gegenstand, mit dem mir das so einfach und nahezu perfekt gelingen würde.

Ich kenne und nutze „Skinner-Apps“ 2). Sie begleiten mich seit 1998, wenn nicht länger. Sie sind Bestandteil eines großen Sets von Tools, die ich ausprobierte, von denen nur wenige als ständiger Einsatzpartner überlebten – eines davon sind eben die Learningapps, die bisher bei jedem Entwicklungsschritt im Neuland für würdig empfunden wurden mitzuziehen.

Was können Skinner-Apps?

Sie können Lerninhalte üben und festigen. Sie dienen nicht der Kreativität, sie dienen nicht der Kollaboration, sie sind kein Kommunikationsmittel. Und sie wollen das auch gar nicht. Sie zählen zur S-Stufe des SAMR-Modells 3), die oft als die niedrigste Stufe digitalen Lernens angesehen wird. Skinner-Apps können nur Lerninhalte üben und festigen. Aber ich kenne kein anderes Tool, mit dem mir das so einfach, zeiteffektiv und schülermotivierend gelingen würde.

Es bleibt die Frage: Müssen wir in Zeiten, in denen man „schnell etwas googlen“ kann, überhaupt Lerninhalte üben und festigen? Sollen die Kinder nicht flexibel anwendbare Kompetenzen statt trägem Wissen erwerben? Nun – es kommt auf die Schulstufe an. All die wunderbaren 4K-Diskussionen 4) gehen davon aus, dass die Kinder, die kreativ und kritisch kommunizieren und kollaborieren sollen, über ein Basiswissen verfügen – Lesen, Schreiben, Grundrechenarten, ein Allgemeinwissen und ein individuelles Spezialwissen, auf dessen Grundlage sie Informationen finden, bewerten und Fakten verifizieren können, um daraus neues Wissen (!) zu konstruieren und dieses kommunizieren zu können.

Dieses Basiswissen wird in der Grundschule vermittelt. Und die Skinner-Apps sind hier (und überall dort, wo Fakten gelernt werden müssen) eine Methode unter mehreren, aber eine Methode, die viele Schüler motiviert und für sie Üben mit Spaß verbindet.

Wie immer – nicht mehr und nicht weniger und kein Allheilmittel und nicht „das digitale Lernen an sich“. Aber wenn ich nur eben eine Pampelmuse essen möchte, nehme ich eben mein Pampelmusenmesser….

 

1) Pampelmuse: altertümlicher Begriff für Grapefruit, botanisch nicht korrekt 😉

2) Skinner-Apps: abwertende Bezeichnung für Apps und digitale Anwendungen, die in den Bereich „Drill and Practise“ fallen, also reine Übungsapps sind. Der Begriff wurde von A. Krommer in Anlehnung an die Versuche von B.F. Skinner zur operanten Konditionierung von Testtieren geprägt.

3) SAMR-Modell: hier erklärt von der Gesellschaft für digitale Bildung

4) 4K-Modell des Lernens bei Wikipedia

 

Nachtrag:

Beim #beo19 (Barcamp Education Ost) kam eine Kollegin auf mich zu und bedankte sich, dass ich im letzen Jahr dort einen Workshop zu Learningapps.org durchgeführt habe, der wohl am heftigsten kritisierten Sammlung von Skinner-Apps derzeit. Für sie war es der Einstieg in das Lernen mit digitalen Medien, das Erstellen eigener digitaler Inhalte für ihre SchülerInnen, das sie sich sonst nie zugetraut hätte. In diesem Jahr ist sie wieder zum Barcamp gekommen, hat sich neue und andere Impulse geholt und wird so ihren Unterricht weiter und weiter zum „zeitgemäßen Lernen“ hin entwickeln – so weit, wie es im Moment für sie und ihren Unterricht passt und in ihrem eigenen Tempo.

2 Kommentare
  1. JDrewes sagte:

    Finde ich vollkommen in Ordnung: Gerade Kolleginnen und Kollegen, die beginnen, in „digitaler Schule“ zu arbeiten, können diesen ersten Schritt leicht gehen und Erfolgserlebnissesammeln. Und nachdem sie entsprechende Erfahrungen gesammelt haben, gehen Sie gegebenenfalls weitere Schritte .

  2. Tom sagte:

    Das ist eine gute Stellungnahme. So sehe ich das auch.

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