Trotz ist eine starke Motivation
Herr Blume aus dem Schwarzwald möchte wissen, ob und wann wir lustvoll gelernt haben, welche Arbeiten, Projekte, Stunden aus unserer Schulzeit uns dauerhaft positiv im Gedächtnis geblieben sind. Die Schulzeit liegt ja nun wirklich lange zurück und die Erinnerungen verblassen stetig, bevor sie in zwanzig Jahren wahrscheinlich machtvoll zurückkehren, dann, wenn die Gegenwart zu bröseln beginnt. Aber wenn ich mir Mühe gebe, findet sich in meinen Hirnwindungen noch die eine oder andere Situation.
Lustvoll lernen – da gibt es natürlich die klassische Situation des attraktiven Referendars in der Oberstufe einer gerade erst koedukativ gewordenen Mädchenschule. Was haben wir für Biologie gelernt! Nichts war uns zu schwer, kein Thema zu abwegig, um in der Stunde zu glänzen und „seine“ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nachdem er den Kurs zu sich eingeladen und seine Freundin Pizza gemacht hatte, sank das Niveau im Kurs beträchtlich.
Lustvoll lernen – ein wichtiger Punkt in der Oberstufe war, dass wir unsere Grundkurse ziemlich frei wählen konnten und zwar nicht nur nach Fach, sondern auch nach Lehrkraft. Ähnlich wie an der Uni hängten die Lehrkräfte ihre Themen mit einer kurzen Beschreibung und dem anzuschaffenden Material aus. Wenn ich recht erinnere, schaffte der Konrektor es fast immer, alle Wahlwünsche zu erfüllen. Dann saß man in einem Kurs bei einem Lehrer, mit dem man gut zurecht kam, und bearbeitete ein Thema, das man selbst ausgesucht hatte. Da es kein Zentralabitur gab, waren die Kursthemen durchaus exotisch: „Die Kunst des Liebens“, „Geschichte der Familie“, „Sterben und Tod“, „Kammermusik (Praxiskurs)“. Natürlich hatten wir auch da nicht permanent Lust zu lernen, aber die Grundvoraussetzungen dafür waren zumindest gegeben.
Lustvoll lernen – zurück in die Grundschule: An eine Stunde erinnere ich mich noch heute, es muss eine Seminar- oder Schulpraktikumsstunde gewesen sein. Wir sind – damals für uns völlig ungewöhnlich – für die Mathestunde auf den Pausenhof gegangen. Dann haben wir Bälle nach ihren Eigenschaften in Reifen und Kreise aus Seilen sortiert, Grund- und Schnittmengen bestimmt. Es muss sehr spannend gewesen sein, denn ich habe diese Mengenlehrestunde nie vergessen und sie beeinflusst meinen Unterricht noch heute.
Lustvoll lernen – was ist denn nun mit dem Trotz?
In der Schule muss ich ein stiller Rebell gewesen sein, so würde ich es zumindest heute aus Lehrersicht bezeichnen. Reizwortgeschichten? Während alle anderen aus den Wörtern Polizei, Radfahrer, Straßenbahn, Krankenwagen brav eine Geschichte über einen Radfahr-Unfall konstruierten, weigerte ich mich beharrlich, diesen leicht zu durchschauenden Lehrerplan umzusetzen. Reizwort heißt „Reizwort“ und sie reizten mich stets, meine Phantasie spielen zu lassen, um eine gute Geschichte zu konstruieren, in der diese Wörter zwar vorkamen, aber in einen ganz anderen Kontext gesetzt wurden. Damals kam, glaube ich, ein Ufo vorbei und der Alien lernte Radfahren, der Polizist erklärte ihm die Verkehrsregeln und die Straßenbahnen hatten einen Stau, weil das Ufo so schlecht geparkt war. Oder so ähnlich… Meine Lehrerin hat das damals glücklicherweise akzeptiert. Ob das heute auch noch so wäre?
„Wählen Sie ein Thema für ihr Referat“ – eine Steilvorlage für mich. Natürlich wusste man, in welche Richtung die Referate gehen sollten. Mit Lust die Fremderwartungen nicht zu erfüllen, die eigenen Interessen so einzupassen, dass das Ergebnis dennoch (höchstwahrscheinlich) akzeptiert wurde, führten zu einer Lust am Lernen und Arbeiten, die in Referaten mündeten, die ich mir bis heute aufgehoben habe. Da gab es „Kultur des Alltags zur Zeit Karls des Großen“ (mit Speisekarte und Tischsitten) , „Boxerkrieg und Mahdi-Aufstand im Vergleich“ (mit erschreckend passendem Ausblick auf die damalige Zukunft, also unser heute), „Die Yayoi-Epoche in Japan“ (und ich habe dabei ein Episkop benutzt, von dem meine Lehrerin noch nicht einmal wusste, dass es existiert).
Abstrahiert man die Beispiele, werden wesentliche Faktoren sichtbar, die zum Entstehen von „Lernlust“ führen können (aber nicht müssen):
- Wenn ich mich dafür interessiere, was ich lerne, macht es Spaß. Also lass mich das lernen, was mich interessiert.
- Wenn ich so lernen darf, wie es meinen Bedürfnissen entpricht, habe ich Lust zu lernen. Also lass es mich so lernen, wie ich es brauche.
- Wenn ich eine gute Beziehung zu dir habe, macht es mir Spaß, auch mal „für dich“ zu lernen. Also kümmere dich um mich und hilf mir, eine positive Beziehung zu dir aufzubauen.
- Wenn du mich überraschst, mir Dinge zutraust, mich auch aktiv handelnd lernen lässt, habe ich Lust zu lernen. Also bereite Ungewöhnliches, Spannendes, Wagemutiges für mich vor, lass uns aus dem Klassenzimmer heraus gehen und in der Welt lernen und lass mich TUN.
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